16. August 2022

Lesezeit: 5 Min.

Der im April 2021 von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf zur CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) ändert den Umfang und die Art der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen umfänglich. Bisher waren von der Nachhaltigkeitsberichterstattung nur börsennotierte Unternehmen betroffen dies ändert sich jetzt. Die neue Richtlinie soll ab dem 1.1.2024 für das Geschäftsjahr 2023 gelten.

Wir haben mit unserem Experten Michael Müller gesprochen, der bereits einige Unternehmen zu diesem Thema beraten hat.

prisma consult: Was sind die wichtigsten Punkte, die ein Unternehmen wissen muß?

Michael Müller von der prisma consult ist Experte für C02-Bilanzierungen und Nachhaltigkeit in Unternehmen.
Foto: Ralf Hochhardt

Michael Müller: Mit der neuen Regelung wird die nicht-finanziellen Berichterstattung erheblich erweitert. Alle an einem EU-regulierten Markt notierten Unternehmen – mit Ausnahme von Kleinstunternehmen – sind von der neuen Berichtspflicht erfasst. Zudem sind alle nicht kapitalmarkt-orientierten Betriebe von der CSRD erfasst, wenn sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: Bilanzsumme über 20 Millionen Euro, Nettoumsatzerlöse über 40 Millionen Euro und Zahl der Beschäftigten über 250. Schätzungsweise wären damit rund 50.000 Unternehmen in der EU betroffen, davon allein 15.000 nur in Deutschland. Man kann aber davon ausgehen das im Rahmen von Lieferketten und Zulieferung indirekt nochmal deutlich mehr Unternehmen betroffen sind.

Die neue CSR-Richtlinie sieht vor, das Unternehmen die Wirkung von Nachhaltigkeitsaspekten auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens festhalten. Und sie müssen die Auswirkungen des Betriebs auf Nachhaltigkeitsaspekte verdeutlichen. Berichtet werden muss unter anderem über Nachhaltigkeitsziele und wie diese erreicht werden sollen sowie den wichtigsten nachteiligen Wirkungen des Unternehmens in Bezug auf Ressourcenverbrauch und soziale Belange.

prisma consult: Wie schätzen Sie die neuen Regelungen ein?

Michael Müller: Unternehmen werden durch diese Regeln in Sachen Nachhaltigkeit deutlich transparenter werden. Dies kommt unter anderem auch den Investoren zugute, die immer stärker eine solche Transparenz fordern. Es wird immer wichtiger abschätzen zu können, wie gut ein Unternehmen in dieser Hinsicht da steht. Es ist zu einem wichtigen Investitionsfaktor geworden.

Für die Unternehmen bedeutet dies allerdings erstmal einen höheren Aufwand, um die entsprechenden Kennzahlen zu ermitteln und eine Berichtsform aufzubauen. Allerdings erhalten die Unternehmen über die Recherche zugleich auch eine Risikoanalyse. Diese kann ein Bewusstsein darüber schaffen, in welchem Bereich der Lieferkette es Handlungsbedarf gibt. Auf diese Weiser erhält man sozusagen zugleich eine Art Frühwarnsystem. Ein gutes Beispiel ist sicher hier der aktuelle Lieferengpass von Erdgas aus Russland. Unternehmen dies sich bei der Erdgasbeschaffung breiter aufgestellt haben trifft, die aktuelle Situation sicher weniger hart, zumindest was die Liefersicherheit angeht.

Insgesamt gesehen zahlt sich aus meiner Sicht die neue Regelung langfristig für Unternehmen aus. Volkswirtschaftlich sowieso, denn an einem nachhaltigen wirtschaften führt kein Weg vorbei, wenn wir auch zukünftig unseren wirtschaftlich Wohlstand weiterhin so erhalten wollen.

prisma consult: Die Lieferketten rücken stark in den Fokus, richtig?

Michael Müller: Die Unternehmen müssen ihren Focus beim Monitoring und bei der Erhebung von Kennzahlen zukünftig verstärkt auf ihre Lieferketten fokussieren. Nimmt man als Beispiel die Automobil- oder Textilindustrie so fallen 70-80 Prozent der Klimawirkung bei der Produktion in der Lieferkette an. Auch in der Lebensmittelindustrie ist das der Fall. Das heißt, hier müssen die Lieferanten auch mit ins Boot geholt werden wenn ich ein entsprechendes Monitoring aufbauen will. Dies gilt übrigens nicht nur für Umweltbelange, sondern genauso für soziale Aspekte z. B. Löhne und Arbeitsbedingungen.

Für die Unternehmen ist dies sicher eine neue Herausforderung in der Umsetzung sowie im Dialog mit ihren Kunden, denn schließlich müssen sich zusätzliche Kosten auch in einer Form refinanzieren lassen.

prisma consult: Sind die Unternehmen im Land auf diese Anforderungen vorbereitet?

Michael Müller: Eher nicht. Für viele Unternehmen wird die Nachhaltigkeits-Berichterstattung Neuland bedeuten. Orientieren kann man sich hier an entsprechenden Leitfäden oder Standards zum Beispiel der Global Reporting Initiative (GRI). Im Zweifelsfall sollte man für den Aufbau eines entsprechenden Monitorings externe Beratungskompetenz mit ins Boot holen, ich darf hier auf unsere Expertise verweisen. Die ersten Schritte sind immer die schwierigsten eine Fortschreibung wird dann erheblich einfacher und kann gegeben falls dann auch intern weitergeführt werden. Die prisma consult hat mit ihrem Projekt CO2-Partner hat einigen Unternehmen beim Start in Sachen Nachhaltigkeit beraten und unterstützt.

prisma consult: Wie groß wird der Aufwand sein?

Michael Müller: Der Aufwand wird für die Unternehmen recht unterschiedlich ausfallen. Manche Unternehmen können schon auf Wissen zurückgreifen, weil sie sich schon früher mit dem Thema beschäftigt haben. Entscheidend ist, wie verzweigt meine Lieferkette ist. Aus der Erfahrung heraus muss man von einer Startphase mit Monitoring und Berichterstattung zwischen sechs bis 12 Monaten ausgehen. Allerdings folgt das ganze ja einem Prozess, so dass eine permanente Selbstoptimierung das Ziel ist. Einen solchen Prozess gilt es dann auch im Unternehmen nicht nur zu implementieren, sondern auch fortzuführen. Hierzu werden dann sicher auch entsprechende Personalresourcen benötigt.

prisma consult: Können die Unternehmen Hilfestellungen erwarten? Wenn ja, welche?

Michael Müller: Ich denke die Politik kann hier nur die klaren Rahmenbedingungen für die Unternehmen setzen. Dies hat sie auf EU-Ebene erstmal getan, auch wenn noch nicht alle Details geklärt sind. Bis Ende des Jahres muss dann eine nationale Umsetzung erfolgen. Hier gibt es dann nochmal einen Spielraum für die Bundesregierung. Für den Bereich der Lieferketten hat sich gezeigt das die EU hier deutlich strengere Regelungen möchte als das nationale Lieferkettensorgfaltsgesetz. Hier sollten sich die Unternehmen entsprechend vorbereiten, um nicht in eine Situation zu geraten, kurzfristig strengere Spielregeln umsetzen zu müssen. Das würde einen enormen Druck bedeuten, Stress. Die Verbände wie die Industrie- und Handelskammern sowie die Unternehmsverbände sollte sicher hier ihre Aufgabe wahrnehmen und über entsprechende Gesetzgebungsverfahren informieren und ihre Mitgliedsunternehmen zu motivieren frühzeitig zu handeln. Ich kann nur jedem Unternehmen raten, sich bereits jetzt zu informieren und zu beginnen, denn es ist nicht mehr viel Zeit. Der Bericht für 2023 soll bereits ja entsprechend gestaltet sein.

prisma consult: Rechnen Sie damit, dass auch kleinere Unternehmen, die noch nicht unter die Regeln fallen, in Zukunft betroffen sein werden – eventuell, weil sie Zulieferer von größeren Unternehmen sind?

Michael Müller: Am Ende werden, wie bereits gesagt, deutlich mehr Unternehmen indirekt von der Reglung betroffen sein. Wir haben jetzt bereits schon den Fall, dass in einigen Branchen die Lieferanten einem gewissen Druck stehen Kennzahlen im Bereich Energie, Umwelt oder Ressourcen erheben zu müssen. Nehmen wir die Lebensmittelbranche. Hier gibt es entsprechende Zielvorstellung hinsichtlich Nachhaltigkeit bei Politik und Verbrauchern sowie dem Einzelhandel. Daraus folgt das entsprechende Verpflichtungen zur Erreichung dieser Ziele auch an die Lieferanten und Produzenten weitergeben werden. Dies wir zukünftig sicher in immer mehr Branchen der Fall sein.

prisma consult: Vielen Dank für das Gespräch!

Wenn Ihr Unternehmen betroffen ist von der neuen Berichtspflicht, können Sie gerne mit unsere Experten Kontakt aufnehmen. Rufen Sie an, oder schreiben Sie uns eine Email. Kontakt und weitere Informationen finden Sie hier.

Das Gespräch führte Oliver Weckbrodt, prisma consult.