23. Juni 2022

Lesezeit: 3 Min.

Kategorien: Energie, Innovation
Schlagwörter: ,

Eine Innovation, die aufblicken lässt: Mit Lenkdrachen Energie erzeugen? Das ist die Idee des niederländischen Start-ups „Kitepower“ aus Den Haag. Gegründet haben das Unternehmen der Deutsche Johannes Peschel aus Baden-Württemberg und der Niederländer Roland Schmehl. Kitepower ist ein niederländisches Start-up-Unternehmen im Bereich Windenergie aus der Luft (Airborne Wind Energy, AWE), das innovative und kostengünstige Alternativen zu bestehenden Windturbinen entwickeln möchte, indem es Drachen zur Stromerzeugung einsetzt

Die ungewöhnliche Windenergie-Technik von Kitepower steht nach eigenen Angaben kurz vor der Marktreife. Wir haben mit dem Gründer und Geschäftsführer Johannes Peschel gesprochen.

prisma: Johannes, wie ist die Idee entstanden, Energie mit einem Lenkdrachen zu erzeugen? Am Strand?

Peschel: Nicht am Strand, sondern im Krankenhaus. Ich erholte mich von einem Armbruch, den ich mir beim Kite-Landboarden zugezogen hatte und dachte mir, diese Energie lässt sich doch besser nutzen!

prisma: Im Garten des Einfamilienhauses oder auf einem landwirtschaftliche Betrieb, sagen wir am Niederrhein, wird man einen Lenkdrachen wohl eher nicht so gut einsetzen können. Wo sehen Sie das Einsatzgebiet?

Peschel: Wir denken hier global. Wir haben begriffen, dass diese Technik eine Chance für Inseln sein kann. Inseln stellen grundlegende Herausforderungen für die Energieversorgung dar, da die Kosten für die Verlegung einer Stromleitung oder die Versorgung lokaler Generatoren mit Brennstoff oft ein Vielfaches der Kosten auf dem Festland betragen. Aus diesem Grund wird die Energie in der Regel von Generatoren geliefert, die mit importiertem Diesel zu sehr hohen Kosten betrieben werden. In Anbetracht dieser Nachteile wächst der Drang zur Kombination mit erneuerbaren Energien.

prisma: Aber Windenergie-Anlagen gibt es ja bereits, auch einen agilen Markt für Kleinwind-Anlagen. Auch gibt es bewegliche Solaranlagen.

Peschel: Herkömmliche erneuerbare Energiequellen wie Windturbinen und Solarenergie sind zwar auf dem Vormarsch, erfordern jedoch erhebliche Investitionen und haben auch ihre eigenen Nachteile. Die Erzeugung von Solarstrom ist nur bei Tageslicht möglich, und herkömmliche Windturbinen sind aufgrund hoher Transportkosten und schwerer Fundamente oft nicht realisierbar.

Wir halten unsere Entwicklung für einen Meilenstein in der Windenergiebranche, da sie 90 % weniger Material verbraucht und bei gleicher Leistung doppelt so effizient ist wie die bestehende Technologie. Im Gegensatz zu herkömmlichen Windturbinen benötigt unsere Kitepower-Anlage keine ressourcenintensiven Türme oder schweren Fundamente und ist daher leicht zu transportieren und aufzustellen.

 

prisma: Wie weit ist die Entwicklung?

Peschel: Im vergangenen Jahr haben wir eine 100-kW-Anlage Falcon auf der Karibikinsel Aruba getestet und bewiesen, dass unsere Technologie auch für entlegene Standorte geeignet ist. Aruba markiert für uns den erfolgreichen Abschluss einer Entwicklung, die seit der Gründung Jahr 2016 vorangetrieben haben. Damit ist für uns ein Traum wahr geworden: Ein Meilenstein, den ich mir seit der Gründung von Kitepower vor fünf Jahren vorgestellt habe.

Übrigens wurde das Projekt auf Aruba in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Verteidigungsministerium durchgeführt.

prisma: Mit dem Verteidigungsministerium?

Peschel: Ja, die Energiepreise bei humanitären Missionen sind besonders hoch und der Transport von Diesel fordert zudem auch Menschenleben. Wir bekommen durch die Kooperation wichtige Informationen, die es uns ermöglichen ein robustes System zu bauen, das sowohl einfach zu handhaben und auch sicher ist.

prisma: Warum sind Inseln besonders geeignet?

Peschel: Windenergiesysteme aus der Luft funktionieren auf Inseln besonders gut, da die starken Küstenwinde eine starke und gleichmäßige Stromerzeugung gewährleisten. Unser System hat den Vorteil, klein und leicht zu sein.

Mit unserer Technik können wir ländliche und abgelegene Gebiete über normale und sogar schmale Straßen zu erreichen. Ein Kitepower-System passt in einen 20-Fuß-Container, was seinen Transport sehr einfach macht, und kann in weniger als 24 Stunden installiert und betrieben werden. Die Vielseitigkeit von AWES eröffnet neue geografische Märkte für die Erzeugung von dezentraler Windenergie und ermöglicht es Einsatzorten und Gemeinden in abgelegenen und ländlichen Gebieten der Welt, sich von teuren und umweltschädlichen fossilen Brennstoffen zu emanzipieren.

Unser System kann tagsüber und nachts, an bewölkten und regnerischen Tagen Strom erzeugen. Wir sehen etwa 1.800 kleine Inseln, die etwa 100.000 Einwohnern entsprechen, könnten potenziell mit Kitepower-Systemen versorgt werden.

prisma: Welches Marktsegment seht ihr?

Peschel: Ein großer Teil dieses Marktes wird durch herkömmliche Systeme wie Photovoltaik und konventionelle Windturbinen versorgt werden, aber aufgrund der besonderen Einsatzfähigkeit, des niedrigen Preises und des einfachen Transports und Betriebs hat Kitepower das Potenzial, eine wichtige Rolle dabei zu spielen, die Energieversorgung in den genannten Gebieten nachhaltiger und die Gemeinden unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu machen.

prisma: Und jetzt werden weitere Investoren gesucht?

Peschel: So sieht es aus. Wir machen jetzt nächsten großen Schritt, nämlich die Weiterentwicklung und Optimierung der aktuellen Systeme, um Windenergieanlagen in der ganzen Welt zu verbreiten. Wir öffnen uns jetzt für neue Investitionen. Und ganz ehrlich, ich kann mir vorstellen, dass es in Nordrhein-Westfalen Interessenten gibt. Schließlich kennen wir NRW als das „Energieland Nr. 1“ in Deutschland, so viele Innovationen kommen und kamen aus Eurem Bundesland gekommen. Und ihr begleitet das ja schon seit vielen Jahren. Deswegen freue ich mich auch, hier in Eurem Blog am Anfang von Euch interviewt zu werden.

prisma: Wir drücken die Daumen! Danke für das Gespräch!

Das Gespräch führte Oliver Weckbrodt, prisma consult. Weitere Informationen zu dem Projekt auf der Website von Kitepower: https://kitepower.nl